RÜCKBLICK: DGVH-BERUFSRECHTSTAG AM 09.06.2022

 

Nachdem die Deutsche Gesellschaft für Vermögensschadenhaftpflicht bereits im Herbst vergangenen Jahres ein erstes Webinar zum Thema „Berufsrechtsreform“ oder sog. „große BRAO-Reform“ durchgeführt hatte, wurde dieses Thema mit Blick auf die rechtlichen Konsequenzen im Rahmen der praktischen Umsetzung und nun am 9. Juni 2022 erneut aufgriffen. Dank der freundlichen Unterstützung von DLA Piper, die neben ihren Räumlichkeiten in Köln auch ein exzellentes Catering zur Verfügung stellten, konnte die Veranstaltung hybrid mit über 90 TeilnehmerInnen durchgeführt werden.

Was lange währt, wird endlich gut?!

Um es kurz zu machen: Die Eingangsfrage, ob nun wirklich alles gut wird, knapp ein Jahr nach Verabschiedung der Berufsrechtsreform durch den Gesetzgeber und kurz vor deren finaler Umsetzung, lässt sich nach der Veranstaltung wohl nur mit einem klaren „vermutlich ja“ beantworten.

Um den zu erwartenden Interessen und Fragen aus dem Auditorium gerecht zu werden, war die auf rund drei Stunden ausgelegte Veranstaltung in zwei Blöcke geteilt im Verhältnis ein Drittel mit drei Impulsvorträgen und einer Podiumsdiskussion.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Rechtsanwalt Dieter Philipp und Rechtsanwalt Erich Hartmann, beide DGVH, unterstützt von Ivonne Fiedler, ebenfalls DGVH, deren Vorbereitung und technische Begleitung vor Ort zum Erfolg der Veranstaltung beigetragen hat.

Nach der Begrüßung und Vorstellung der drei Referenten durch den DGVH e.V. gab Rechtsanwalt Sven Lehmann, Partner bei Bach Langheid Dallmayr, sehr anschaulich einen pointierten Überblick über die rechtlichen Grundlagen der Reform, insbesondere in versicherungsrechtlicher Hinsicht. Trotz der aus seiner Sicht grundsätzlich präzisen Arbeit des Gesetzgebers stelle die „neue Welt“ der Berufsausübungsgesellschaften, ob mono- oder interprofessionell, eine Herausforderung für die Berufsangehörigen, Versicherungsmakler und Versicherer im Rahmen der Umsetzung der berufsrechtlichen Vorgaben dar. In der Podiumsdiskussion fügte er hinzu, dass aus seiner Sicht ein „Run“ auf „neue“ interdisziplinäre Gesellschaften vorerst nicht zu erwarten sei, wenn auch regional durchaus besonderes Interesse an einer gesellschaftsrechtlichen Kooperation von Anwälten mit Architekten festgestellt werden könne. Alle Beteiligten sollten sich daher bereits jetzt auf die Umsetzung, insbesondere in deckungsrechtlicher Hinsicht, vorbereiten.

Im Anschluss hieran gewährte Rechtsanwalt Dr. Frank Roth, Partner bei DLA Piper, auch geprägt von seiner Erfahrung aus dem Brexit, aus der Perspektive einer internationalen Großkanzlei einen kurzen, prägnanten Einblick auf die Besonderheiten der Reformregelungen für die hiesigen Niederlassungen ausländischer Anwaltsgesellschaften (z.B. LLP). In deckungsrechtlicher Hinsicht machte er – auch im Rahmen der späteren Podiumsdiskussion – kein Hehl aus seinem Unverständnis, dass bei der Berechnung der gesetzlich zwingenden Jahreshöchstleistung der Berufshaftpflichtversicherung lt. Kammer nicht nur die hiesigen, sondern alle Partner weltweit, berücksichtigt werden sollen. Dies würde bei rund 600 Partnern eine Jahreshöchstleistung von 1,5 Milliarden EUR ausmachen. Sie sei für die Versicherungswirtschaft wohl kaum darstellbar, auch wenn die Versicherer bisher bereits für Wirtschaftsprüfer Deckungssummen von 1 Mio. bzw. 4 Mio. EUR unmaximiert zur Verfügung gestellt haben. Er kündigte an, dass DLA Piper rechtlich gegen eine entsprechende Verfügung der Kammer vorgehen werde.

Rechtsanwalt Thiemo Jeck, Hauptgeschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, behandelte in seinem Vortrag die rechtlichen Vorgaben des Gesetzgebers mit besonderem Bezug zur verwaltungstechnischen Umsetzung (Fristen, Anträge, Deckungsbestätigungen, ...) und die eventuell aufsichtsrechtlichen Konsequenzen (z.B. Widerruf) im Falle deren Nichtbeachtung oder nicht hinreichender Berücksichtigung. Insofern berichtete er auch aufgrund der unterschiedlichen Sichtweisen der regionalen Rechtsanwalts- und Steuerberaterkammern über die erfolgten Abstimmungsgespräche mit den jeweiligen Bundeskammern und Ministerien. Im Rahmen der Podiumsdiskussion war Herr Jeck erwartungsgemäß Adressat der häufigsten Fragen und Diskussionsbeiträge. Zu der Maximierungsthematik von Herrn Dr. Roth verwies er auf die vorhandene Divergenz der jeweiligen Rechtsauffassungen, die noch einer weitergehenden Abstimmung bedürfe. Auch im Übrigen konnte er sehr kompetent und authentisch zu den Fragen, u.a. betreffend Muster-Deckungsbestätigungen, Antragstellung auf Zulassung als Berufsausübungsgesellschaft und Berufsträgergesellschaft, Kontrolle der Angaben der jeweiligen Kanzlei zur Anzahl und Qualifikation der Berufsträger, Scheinsozietäten, etc. Stellung nehmen.

Die weiteren Mitwirkenden an der Podiumsdiskussion hatten aufgrund der zahlreichen Beiträge und Fragen aus dem Auditorium ebenfalls ausführlich Gelegenheit, Ihre jeweilige Sichtweise auf und Rechtsauffassung zur Reform darzustellen.

So brachte Dr. Klaus Voßmeyer sehr eindrucksvoll zum Ausdruck, dass die Reform in deckungsrechtlicher Hinsicht lediglich Mindestanforderungen definiere, die aber vielfach das tatsächliche Kanzleirisiko bei weitem nicht widerspiegeln würden. Für ihn und seine Kanzlei sei daher alleiniger Maßstab, in welchem Umfang (Deckungssummen und Bedingungen) das Kanzleirisiko die Mindestdeckung gemäß Reform übersteige. Hier sei dann auch der betreuende Makler besonders gefordert. Plakativ beschrieb er vor diesem Hintergrund insbesondere das Cyber- und D&O-Risiko der Kanzleien.

Gregor Brinken stimmte dem grundsätzlich zu, verwies allerdings auf die Abhängigkeit des Maklers von der Informationserteilung durch Versicherungsnehmer hin, so insbesondere auch der für die Ermittlung der zutreffenden Mindestdeckungssumme maßgeblichen Anzahl der Berufsträger (§ 59o Abs.2 BRAO neu).

Joaquim Beer beschrieb u.a. am Beispiel der von Dr. Roth angesprochenen Problematik der Jahreshöchstleistung ausländischer Kanzleien die Situation der Erstversicherer und deren mehr oder weniger starke Abhängigkeit von „engen“ Rückversicherungsmarkt. Abgesehen von dieser eher seltenen Auslandsthematik stelle aber auch die sonstige „Inflationierung“ der Jahreshöchstleistungen bei vielköpfigen Berufsausübungsgesellschaften eine problematische Entwicklung dar – zumal teilweise unklar sei, welche Berufsträger dabei zu berücksichtigen seien. Problematisch aus administrativer Sicht erscheine vor allem, dass zwar eine neue Versicherungspflicht statuiert werde, aber bei nicht zulassungspflichtigen Berufsausübungsgesellschaften bzw. außerhalb von künftigen Zulassungsverfahren möglicherweise keine aktive flächendeckende Prüfung der neuen Mindestanforderungen durch die Kammern erfolge. Man erhoffe sich also auch insoweit eine weiterhin gut funktionierende Mitwirkung der Kammern. Zur Frage des gesetzeskonformen Deckungsschutzes interdisziplinärer Berufsausübungsgesellschaften, z.B. Architekt oder Mediziner, verwies er auf die ggf. noch nicht allseits bekannte GDV-Klausel, die den berufsfremden Partner für den Fall evtl. akzessorischer (Mit-) Haftung in den Deckungsschutz einbezieht. Durch entsprechend kongruente Deckung des berufsfremden Partners müsse aber zugleich die evtl. Mithaftung des Anwaltspartners sichergestellt sein.

Abschließend wurde von den Moderatoren festgehalten, dass die Zeit doch recht knapp war für die Vielzahl der Fragen und Beiträge, gleichwohl ein guter Beitrag geleistet sei zur Umsetzung der Reform trotz weiterhin noch zu lösender Fragen, insbesondere betreffend interdisziplinärer Kanzleien – auch klassischer Prägung.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion ließen die vor Ort anwesenden TeilnehmerInnen den spannenden DGVH-Berufsrechtstag in den Räumlichkeiten von DLA Piper bei leckerem Fingerfood, kühlen Getränken und guten Gesprächen noch bis weit nach 19:00 Uhr ausklingen.