RÜCKBLICK: FINANCIAL LINES AM 13.11.2019

 

Am 13.11.2019 fand auf der 28. Etage des KölnSKY Gebäudes der jährliche Thementag Financial Lines statt. Die Vertreter aus Wissenschaft und Praxis erwartete eine Bandbreite qualifizierter Vorträge zu aktuellen Themen.

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Jetzt spricht der Rückversicherer

Georg Fülles, AXA XL Re ließ das Auditorium an der Wahrnehmung des Rückversicherers teilnehmen. Rückversicherung sei längst mehr als geliehenes Eigenkapital. Im Angesicht sich wandelnder Risikolandschaften gelte es, Lösungen für bestehende und sich erst entwickelnde Risiken zu bieten. Von den „Horrorszenarien“, die mitunter in der Branche thematisiert würden, gelte es, das herauszufiltern, was wirklich relevant und zu berücksichtigen sei. Fülles schilderte, worauf es dem Underwriter im Bereich der D&O-Versicherung ankomme und betonte, dass Rückversicherungsgeschäft mehr sei als die Aufstockung oder Absicherung von Eigenkapital gegen Prämie, nämlich Schicksalsteilung. Der Rückversicherer müsse ein Verständnis für den Risikoappetit seiner Zedenten und Vertrauen in dessen Underwriting gewinnen können. Hierfür unabdingbar sei die Betrachtung der (Schadens-)Erfahrung und das Exposure des Zedenten mit Hilfe der Aktuare. Kritisch äußerte sich Fülles zur mitunter unzureichenden Risikoquotierung in der Praxis und appellierte an die Underwriter von Erstversicherungsunternehmen, schon bei der Risikoquotierung im Blick zu haben, dass Inanspruchnahmen im Bereich der D&O-Versicherung kontinuierlich zunehmen. Es entstehe der Eindruck, dass in Exzedenten z.T. strategische Unterreservierungen vorgenommen werden. Auch das sogenannte „Shaving of Limits“ sei nach seiner Wahrnehmung bei Quotierungen nicht eingepreist. Fülles erinnerte schließlich daran, dass das schwer zu tarifierende und dem persönlichen Insolvenz - und Existenzschutz von Organen dienende Produkt einst als „Luxusversicherung“ gegolten habe. Das Produkt unter dem Aspekt „Imageschutzes für Unternehmen“ zu bewerben, liege in Anbetracht der Streitigkeiten im Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und versicherten Personen neben der Sache. Im Hinblick auf diese Bedeutung des Produkts könne es nach Einschätzung von Fülles gar nicht „teuer genug“ sein, was im Widerspruch zur gelebten Praxis und des allseits beklagten „Prämienabriebs“ stehe. Fülles schloss seinen Beitrag mit der These, dass nur eine Sparte, die hervorragend auskömmlich ist, das bieten könne, was das Produkt zu bieten habe.  

Absicherung von Kaufvertragsrisiken – Einblicke aus der Praxis

Gennadiy Kharif, Howden M&A stellte das Konzept der W+I-Versicherung zur Absicherung von Kaufvertragsrisiken vor, die nach und nach zum Marktstandard in der Region DACH werde. Kharif berichtete aus den Erfahrungen der Praxis betreffend alle Phasen des Produkts und zeigte anhand einer Case Study auf, wie die Beteiligten an M&A-Transaktionen in den unterschiedlichen Phasen eingebunden sind. Mit der zunehmenden Verbreitung hätte auch die Professionalisierung auf Seiten der Risikoträger zugenommen, die zunehmend spezialisierte Schadenabteilungen aufgebaut hätten.  

K&R Versicherung & Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Wolfgang Dinzen, HDI Global Specialty Underwriting Agency GmbH referierte zur K&R-Versicherung und stellte diese in Relation zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die u.U. zu einer Haftung von Unternehmensleitern führen könne, wenn auf Sicherheitsrisiken für Mitarbeiter nicht adäquat reagiert und etwa entsprechender Versicherungsschutz aus einer K&R-Versicherung vorgehalten werde. Dinzen nahm die Zuhörer mit in die Welt des Krisenmanagements und zeigte in überaus anschaulicher Weise auf, worauf ein Unternehmen bei Auftreten einer „Krise“ zu achten hat. In Anbetracht der Tatsache, dass ein Zeitfenster von nur zwei Stunden entscheidend, Agieren statt besser als Reagieren und die Öffentlichkeit der größte Feind des mit einer Krise konfrontierten Unternehmens sei, gelte es, jeden Zeitverlust zu vermeiden. Dinzen gab einen Überblick über alle möglichen Arten von Entführungen und analysierte die typischen Parameter dieses „Geschäftsmodells“ vor dem man sich bis 1998 in Deutschland nicht durch eine Versicherungslösung absichern konnte aufgrund eines aufsichtsrechtlichen Verbots. Dinzen charakterisierte sodann die wesentlichen Merkmale des Versicherungsschutzes, der seither erhältlich ist, um sich beispielsweise gegen Entführung und Lösegelderpressung abzusichern, Zu den versicherten Kosten gehöre auch der Verlust des Lösegeldes auf dem Transport und sonstige Kosten. Entscheidendes Merkmal sei u.a. ein garantierter 24 Stunden-Zugang zu einem Krisenberater. Zumindest aus Erfahrungen in den USA sei der Schluss zulässig, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers, einen sicheren Arbeitsplatz zu schaffen, verletzt werden könnte, wenn das Unternehmen nicht für den Einkauf der erforderlichen Beratungsleistung sorgt.

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Unternehmensstrafrecht: Was kommt da auf uns zu?

Dr. Christian Schmitz, verte Rechtsanwälte stellte anhand des durch das Justizministerium für Justiz und Verbraucherschutz vorgestellten Entwurfs des Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität die vorgesehene Neuregelung des Sanktionenrechts für Unternehmen vor. Die Sanktionierung von Unternehmen solle im „Gesetz zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten“ eine zeitgemäße und angemessene Ahndung von Verbandstraftaten ermöglichen. Schmitz zeigte anhand ausgewählter Regelungen des Entwurfs auf, welche erheblichen Spannungen sich ergeben, wenn die avisierten Regelungen in Kraft treten. Unternehmen, die in Falle von Ermittlungen gegen ihre Unternehmensleiter bisher als „Zeuge“ mit den Ermittlungsbehörden kooperierten und „Internal Investigations“ anstellten, müssten diese Strategie grundlegend überdenken, wenn das Unternehmen selbst zum Beschuldigten wird. Schmitz verwies auf die Motive, die mit dem Gesetzesentwurf verfolgt werden und äußerte kritisch, dass diese überkompensiert worden seien. Dies betreffe insbesondere die vorgesehenen Verbandsgeldsanktionen, aber auch verfahrensrechtliche Bestimmungen. Strafmilderungsmöglichkeiten würden bei „Kooperation“ nur dann geboten, wenn eine Vielzahl von Voraussetzungen vorliege, die in Widerspruch zur Wahrnehmung der Beschuldigtenrechte stünden und (Stichwort: „Internal Investigations“) verhinderten, dass der Strafverteidiger zugleich aufklärend und verteidigend tätig werde. Schmitz äußerte erhebliche Bedenken an der realitätsnahen Umsetzbarkeit der Anforderungen des Entwurfs und machte so den „Aufschrei“, der durch die Unternehmen gehe, nachvollziehbar. Aus der Verfehlung eines Einzelnen werde die Verfehlung des Unternehmens. Außer der Bestrafung des Verbandes bleibe es bei der Vermögensabschöpfung, die schon bisher (siehe „Dieselgate“) sehr hohe Bußgelder gegenüber Unternehmen rechtfertigte. Die Bestrafung des Verbands einschließlich der Veröffentlichung in einem Verbandssanktionenregister sei erwartetes Massengeschäft. Einzig gute Nachricht sei, dass das Gesetz noch nur im Entwurf vorliege.    

Cyber und D&O – alles versicherbar?

Tobias Liedtke, Marsh widmete sich ausgewählten Deckungsfragen aus der Welt der Cyberversicherung und zeigte anhand der GDV-Bedingungen Cyber und anderer Wordings mögliche Deckungslücken auf, die in der Praxis nicht selten erst im Schadenfall für Irritation auf Seiten der Versicherungsnehmer sorgten. Liedtke beobachte vermehrt Elemente der Vertrauensschadenversicherung und warf die Frage auf, ob etwa „Fake President“-Fälle als „Netzwerksicherheitsverletzung“ gesehen werden könnten. Ausschlüsse beim Einsatz externer Dienstleister seien nicht sachgerecht und der Einsatz externer Dienstleister versicherbar. Besondere Aufmerksamkeit widmete Liedtke dem Zustimmungsvorbehalt in Bedingungen, soweit es um den Einsatz von IT-Forensikern gehe. Hier sei zu klären, welche Konsequenzen die Missachtung des Zustimmungsvorbehalts haben könne. Dafür sei eine rechtliche Einordnung erforderlich. Liedtke schloss mit Ausführungen zum im Bereich der Eigenschadendeckung maßgeblichen Sachschaden und äußerte die Erwartung, dass mit Zunahme von Schäden hier noch vieles im Fluss sei.     

Financial Lines: Ein Blick in die (digitale) Zukunft

Sebastian Klapper, Finlex widmete sich der digitalen Zukunft im Versicherungsmarkt und stellte gleich zu Beginn fest, dass es bisher größtenteils eine Automatisierung, aber noch keine wirklich disruptive Digitalisierung gäbe. Klapper zeigte auf, dass Insuretechs sich hauptsächlich auf den Privatversicherungsbereich konzentrieren würden. Bemerkenswert sei, dass viele Insuretechs versuchen würden, im zulassungsfreien Bereich zu agieren. Die Intransparenz im Versicherungsmarkt lasse für ihn nur die Prognose zu, dass es für Versicherer immer schwerer werde, profitables Neukundengeschäft zu generieren. Mit der Hilfe von Daten sei es aber möglich, detaillierte Risikoprofile zu erstellen und so Kunden effizienter und zielgerichteter zu beraten. Im diesem Kontext widmete sich Klapper intensiv dem Nutzen von digitalen Plattformen. Bereits im Jahr 2025 würden 30 % aller Geschäfte über Plattformen abgewickelt werden. Die Plattformökonomie könne dabei zum Nutzen aller sein. Wichtig sei aber, dass nicht ausschließlich die Preiskomponente zu ihrem Inhalt gemacht werde. Hervorzuheben sei der Einfluss von künstlicher Intelligenz (AI) auf die Tätigkeit des Underwriters. Dessen zukünftige Rolle könne mit der eines Datenanalysten verglichen werden. Für Versicherungsmakler bestünde allerdings die Gefahr, dass dieser als Mittelsmann eliminiert werde, wie dies in vielen anderen Branchen zu beobachten sei. Seinen Mehrwert müsse der Versicherungsmakler daher durch mehr Transparenz herausstellen, um weiterhin eine Funktion im Markt einnehmen zu können. Klapper schloss einen Vortrag damit, dass er noch einmal die Bedeutung der Technologie hervorhob. Anstatt Angst vor dieser zu haben, solle sie vielmehr als Chance begriffen werden. Die Zusammenarbeit hochspezialisierter Experten und Technologie könne einen außerordentlich großen Mehrwert für alle Marktteilnehmer bekunden.       

 
Julia ParticusKölnSky